Architektin Christiane Behrens und Gewoge-Geschäftsführer Michael Dorißen haben in dem Viertel mit der Errichtung der Klimaschutzsiedlung bereits viel für das Quartier rund um den Mittelweg bewegt. Foto: AG

Bei der Mittwochsakademie an der Hochschule Rhein-Waal ging es um den Klever Stadtteil rund um den Mittelweg: Es fehlen Treffpunkte und Jugendzentren

Von Andreas Daams 08.06.2018 – 14:00 Uhr NRZ

Kleve. Mit der Planung ist es so eine Sache. Weil weitaus mehr Neugierige zur Mittwochsakademie in die Hochschule Rhein-Waal kamen als gedacht, musste man kurzfristig in einen größeren Hörsaal wechseln. Hier konnte man also ganz leicht Abhilfe schaffen. Aber wie sieht es mit so großen Dingen wie der Stadtentwicklung aus? Um hier Transparenz und Klarheit hineinzubringen, hat die Hochschule im Auftrag der Stadt Kleve ein Quartier in Kleve unter die Lupe genommen.

Die Entwicklung der Stadt Kleve interessiert die Bürger. Foto: Andreas Daams

 

„Großstädte und
Kleve sind deutlich
internationaler als
der Durchschnitt“
Ingrid Jungwirth, Professorin für Sozialwissenschaften

 

Es handelt sich um das Gebiet zwischen Hoffmannallee und Merowinger Straße, zwischen Königsallee und Lindenallee. Wie nimmt man hier Globalisierung, Migration und Alterung wahr? Das war der Leitgedanke, den 30 Studierende aus verschiedenen Disziplinen untersucht haben. Ganz fertig ist die Studie noch nicht. Bislang hat man anhand von 45 Interviews Problemstellungen identifiziert. Jetzt muss man noch untersuchen, ob andere Menschen diese Perspektiven teilen.
Auf welcher Datenbasis findet das alles statt? Ingrid Jungwirth, Professorin für Sozialwissenschaften mit dem Schwerpunkt Diversität und Inklusion, hatte dazu Zahlen verschiedener Behörden zusammengetragen. Im Quartier rund um den Mittelweg wohnten Ende 2017 genau 4029 Personen, 359 mehr als im Jahr 2000. Der Zuwachs übertrifft den generellen Einkommenszuwachs in Kleve deutlich. Vor allem jüngere Menschen sind gekommen, weshalb von Überalterung in dem Viertel keine Rede sein kann. Ein Fünftel der dortigen Einwohner sind Ausländer – im Bundesdurchschnitt sind es gerade mal acht Prozent. Jungwirth: „Großstädte und Kleve sind deutlich internationaler als der Durchschnitt.“
Claudia-Livia Balan, Studiengangsmanagerin Gender and Diversity, machte auf die insgesamt gute Versorgungslage aufmerksam. Schulen, Kindergärten, Ärzte, Einkaufsmöglichkeiten, Kirche und Spielhallen – alles in der Nähe. Nur der öffentliche Nahverkehr schneidet wegen der geringen Abfahrtzeiten schlechter ab. Zentral und gleichzeitig ruhig wohnen – das scheinen die Bewohner zu schätzen. Zwar ist der schlechte Ruf einzelner Straßenzüge wie Mozartstraße oder Küppersstraße noch präsent, doch das Viertel wandelt sich stark. „Gerade die Nachbarschaft ist ein Potenzial“, stellte Balan fest.

Marode Baustrukturen
Als Probleme machten die Bewohner marode Baustrukturen aus, aber auch fehlende Treffpunkte für Familien, Jugendliche und Senioren. Daraus ergeben sich für die Wissenschaftler mehrere Handlungsempfehlungen: Vereine unterstützen, Angebote für Migranten ausbauen, generationsübergreifendes Wohnen fördern, Treffpunkte für Ältere schaffen, Jungendzentren ausbauen.
In der anschließenden Aussprache wurde deutlich, dass die Erkenntnisse nicht sonderlich überraschend sind. Nicht weiter verwunderlich, meinte Ingrid Jungwirth: „Natürlich kommt nichts raus, was Sie noch nie gehört haben, aber anders als im Gespräch oder als Gerücht ist es systematisch kontrolliert.“